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Naturstein in Rajasthan, Indien
Rajasthan, Gliedstaat der Indischen Föderation im Nordwesten des Subkontinents, ist ein beliebtes Reiseziel. Dies liegt nicht zuletzt am immensen Reichtum des baulichen Erbes, dessen berühmtester Zeuge ist der Taj Mahal, ein gleissend weisses Marmor-Mausoleum. Rajasthan verfügt über umfangreiche Vorkommen gut bearbeitbarer Natursteine und eine alte, noch immer lebendige Steinmetz-Tradition.
Seit dem 7. Jahrhundert gibt es in Indien Zünfte für Steinmetze. Die alten Handwerkstraditionen werden bis heute von Generation zu Generation weiter gereicht, und auch in unseren Tagen möchte man bei religiösen Bauten nicht auf Steinornamente verzichten. Für den Bau eines Hindutempels in Nordlondon wurden vor wenigen Jahren sechzehn Steinmetze aus Rajasthan «importiert» - was wegen den miserablen Lebensbedingungen und den niedrigen Löhnen, welche man diesen Fachkräften anbot, zu einem kleinen Aufruhr führte.
Rajasthan darf als Hochburg der Steinmetzkunst bezeichnet werden. Hier vermischte sich ab dem 16. Jahrhundert die alte Baukultur der Hindureiche mit einer vorwiegend aus dem Iran stammenden architektonischen Tradition, die mit muslimischen Invasoren in den Subkontinent gelangte. Es entstand die so genannte Mogul-Architektur mit Bauten wie den Roten Forts in Delhi und Agra oder dem erwähnten Taj Mahal. Sie ist ein wichtiger, viel bewunderter Bestandteil des Weltkulturerbes.
Während die Vorgängerbauten der Mogul-Architektur in islamischen Ländern ausserhalb des Subkontinents meistens Backsteinstrukturen sind, ist bei den Prunkbauten Indiens das vorherrschende Baumaterial Naturstein.
Rajasthan galt seit jeher als «Steinparadies».
Qualitativ hochstehender Naturstein liess sich in geografisch und verkehrstechnisch günstig gelegenen Steinbrüchen abbauen, Backsteine waren deshalb während langer Zeit kaum bekannt.

Sandstein und Marmor
Seinen Ruf als «Steinparadies» verdankt Rajasthan seinem Sandstein und seinem Marmor. Deren rote respektive weisse Textur sind das Markenzeichen der zahlreichen Monumente aus vormoderner Zeit. Berühmtheit erlangt haben die Steinbrüche von Makrana; von hier stammt der reine Marmor für den Taj Mahal. In Rupbas bei Agra und in Karauli wird immer noch der Sandstein gewonnen, der gigantische Bauwerke wie die Roten Forts von Delhi und Agra und die Mogul-Stadt Fatehpur Sikri prägt. Abgebaut werden in Rajasthan auch noch grauer Kalkstein in Kota für Bodenbeläge, gelber, leicht bearbeitbarer Marmor in Barmer und Granite in Ajmer.

Filigrane Massivität
Die Mogul-Architektur in Rajasthan ist eine kuriose Mischung von Massivität und Leichtigkeit. Die Speicherkapazität der Steinmassen schützt wirksam vor hohen Temperaturen, durch konstruktives und handwerkliches Geschick kann man dafür sorgen, dass trotz der Massivität eine angenehme und erfrischende Lüftung sichergestellt ist. Das reizvollste Beispiel für die Kombination zweier Eigenschaften, die sich eigentlich aussschliessen, sind die durchbrochenen, oft hauchdünnen Steinscheiben, die «Jali» genannt werden; die in Sandstein oder Marmor als komplexe geometrische Muster oder Ornamente angeordneten Perforationen erlauben die Luftzufuhr, sorgen aber gleichzeitig für kühlen Schatten